„Amerikanischer Druck und türkisches Interesse“

Peter Bulke/    Bei der obigen Überschrift geht es um das Anwerbeabkommen zwischen Westdeutschland und der Türkei vom 30. 10. 1961. Der dazugehörige Artikel erschien in der FAZ am 26. 10. 2011. Er gibt die wichtigen Gesichtspunkte zum Abkommen wieder und liefert die notwendigen Ergänzungen zur diesjährigen einseitigen Darstellung unseres Bundespräsidenten Steinmeier, der meinte, türkische Arbeitskräfte seien angeworben worden, weil wir sie brauchten.

Der FAZ-Text wird hier auszugsweise  zitiert: Das Anwerbeabkommen  . . .  kam von deutscher Seite aus eher widerwillig zustande. . . .  Von Ankara nämlich ging die Initiative aus, ein Abkommen zur Entsendung von Arbeitskräften zu schließen, wie es Italien und Spanien mit Deutschland bereits getan hatten. Ziel der Türkei war es, ihr Handelsbilanzdefizit gegenüber Deutschland durch die Rücküberweisungen der Gastarbeiter auszugleichen. Auch wollte die türkische Regierung Druck vom eigenen Arbeitsmarkt nehmen und den Zustrom der Landbevölkerung in die Großstädte bremsen. . . .  1961 lehnte Arbeitsminister Theodor Blank (CDU) das Ansinnen der Türkei zunächst ab. Die kulturelle  Distanz zu dem islamisch geprägten Land erschien ihm zu groß. Doch die Amerikaner sahen in der Türkei, die NATO-Mitglied geworden war, einen wichtigen strategischen Partner. . . . Auch hatte sich die türkische Republik 1959 um die Mitgliedschaft in der EWG beworben. Auf  deutscher Seite überwogen schließlich außenpolitische Erwägungen. Das Außenministerium nahm dem  widerwilligen Arbeitsminister die Verhandlungsführung ab. Blanks Bedenken wurde insofern Rechnung getragen, als ausschließlich ledige Arbeiter . . . jeweils nur für zwei Jahre kommen sollten. . . . Für die Arbeitgeber war es allerdings unwirtschaftlich, Angelernte nach zwei Jahren durch Ungelernte zu ersetzen. Die Rotation wurde 1964 abgeschafft. Auch wiesen sie (die Arbeitgeber) darauf hin, dass es für den einzelnen Arbeiter eine stabilisierende Wirkung habe, Frau und Kinder um sich zu haben. . . . Lebten bis zu dem Abkommen etwa 6.800 türkische Staatsangehörige in Deutschland, waren es zum Zeitpunkt des Anwerbestopps (1973), den die Regierung Brandt infolge der 1. Ölkrise verhängte, etwa 800.000. Das Ziel jedoch, damit die Einwanderung türkischer Staatsbürger nach Deutschland zu beenden, erreicht der Anwerbestopp nicht. . . . Alle, die nach dem Anwerbestopp einwanderten, nutzten dafür die Regelung des Familiennachzugs. . . . Das anfängliche Kalkül, dass die Gastarbeiter nur in ihren produktiven Jahren in Deutschland sein und so für ein positives Saldo in den Sozialkassen sorgen würden, ging nicht auf. Es verkehrte sich bei den Kosten für Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie für unterstützende Infrastruktur für die Kinder vermutlich in sein Gegenteil. Den betrieblichen Nutzen billiger Arbeitskräfte hatten einzelne Firmen, die Folgekosten trägt die Allgemeinheit.

Obiges Foto zeigt eine Karikatur des berühmten Zeichners Haitzinger, die am 21. 03. 2017  in der Badischen Zeitung erschien.