Peter Bulke/ Das Wort von der Spaltung der Gesellschaft ist immer wieder zu vernehmen. Die Ursache sind stärkere gesellschaftliche Veränderungen in relativ kurzer Zeit, die zum Teil auf Widerstand stoßen. Die Katholische Akademie der Erzdiözese Freiburg veranstaltet deshalb zusammen mit der Universität Freiburg (Studium Generale) seit 2018 eine Vortragsreihe unter dem Thema „Konturen der nächsten Gesellschaft“. In diesem Juli sprach dazu die Soziologin Cornelia Koppetsch aus Darmstadt und bezog sich dabei auf ihr kürzlich erschienenes Buch „Die Gesellschaft des Zorns – Rechtspopulismus im globalen Zeitalter“. Wie der Buchtitel zeigt, liegen die Ursachen der gesellschaftlichen Veränderungen in der Globalisierung, die in unterschiedlichen Formen vor sich geht: im Bereich der Wirtschaft (immer weniger Unternehmen sind an staatliche Grenzen gebunden), in der Politik (immer mehr Vorschriften werden durch die EU oder durch internationale Vereinbarungen festgelegt) und schließlich in der zunehmenden Migration, die zu Störungen in bisher einigermaßen homogenen Gesellschaften führt. Die Referentin zählt sich selbst zu dem liberalen, kosmopolitisch gesinnten Teil der Bevölkerung, versucht aber, auch gegensätzliche Standpunkte zu verstehen.
Sie zeigt einen gewissen Widerspruch auf: die „tonangebende Klasse“, das liberale Bürgertum, – Unterstützerin einer großzügigen Einwanderungspolitik – lebt in der Regel in „besseren Wohngebieten“, wo es keine direkte Nachbarschaft mit den Armutsmigranten gibt. Ihre Kinder besuchen keine „Brennpunktschulen“ und werden häufig auf Privatschulen geschickt, wo sie mit Migrantenkindern kaum in Kontakt kommen. Die Referentin weist aber darauf hin, dass die AfD-Wähler keineswegs typischerweise als Unterschichtenwähler anzusehen sind. Viele sind einem „enttäuschten Bürgertum“ zuzurechnen, denen der moralisierende Alleinvertretungsanspruch der tonangebenden Klasse zuwider ist. Meistens wird nämlich ein Gegensatz zwischen „gut“ (kosmopolitisch) und „böse“ (nationalistisch) konstruiert. Entsprechend stehen sich, wenn es um die „Heimat“ geht, zwei gegensätzliche Gruppen gegenüber: die kulturellen „Allesfresser“, deren Heimat überall sein kann, und die „Verwurzelten“. Letzteren ist eine gewisse kulturelle Homogenität wichtig. Dazu gehört die Beachtung traditioneller, bewährter Normen und Werte (z. B. Ehe/Familie, Ordnung, Fleiß, Gemeinschaftsgeist).
Die AfD hat diese Auffassung passend auf einem Plakat zur letzten Europawahl zum Ausdruck gebracht (siehe obiges Foto). Es geht um das Bekenntnis zur eigenen Herkunft, die viele Linksorientierte am liebsten abstreifen würden. Im Ausland findet man häufig immer noch ein besonders positives Deutschlandbild. Der christlich-konservative Bestseller-Autor und ehemalige ZDF-Mitarbeiter Peter Hahne berichtete dazu vor einiger Zeit als Gastredner beim Katholischen Bildungswerk in Pfaffenweiler, dass er von amerikanischen Freunden beneidet worden sei, aus dem Land mit preußischen Tugenden zu stammen. Hahne meinte weiter, viele Menschen ließen sich in Deutschland zu sehr manipulieren, weil sie ihre Wurzeln verloren hätten. „Wer keine Wurzeln hat, wird Treibgut“, werde bindungslos. „Zukunft haben wir nur, wenn wir uns auf unsere Herkunft besinnen.“ Unter dem Deckmantel der Multikultur schämten sich viele der eigenen Herkunft. Das sei ein seltsamer Selbsthass.