Die Muslimin Aras, eine deutsche Verfassungspatriotin

Peter Bulke/   In Stuttgart ist Muhterem Aras seit langem bekannt. Als Mitglied der GRÜNEN seit 1992 wird sie erstmals 1999 in den dortigen Gemeinderat gewählt. 2007 wird sie sogar Fraktionsvorsitzende. Bei den Landtagswahlen 2011 und 2016 kandidiert sie in einem der Stuttgarter Wahlkreise und erringt jeweils das Direktmandat! Der Landtag erkor sie dann zur Landtagspräsidentin. Sie bekleidet damit das zweithöchste Amt des Landes Baden-Württemberg.

Im Oktober 2019 war sie in Freiburg zu Gast. Hier trat sie im Rahmen einer Veranstaltung der Badischen Zeitung – „BZ-Hautnah“ – zusammen mit Chefredakteur Thomas Fricker im Saal der Stadtbibliothek auf, wo auch ein Buch mit ihren Gedanken zum Thema „Heimat“ (siehe obiges Foto) vorgestellt wurde.

Geboren ist sie 1966 in Anatolien. Ihr Vater war seit 1968 Gastarbeiter in Deutschland. Als sie 12 Jahre alt war, zog ihre Mutter mit ihr und ihren anderen Kindern zum Vater nach Deutschland. Zu Hause war sie auf dem Land in einer Großfamilie aufgewachsen, die Viehwirtschaft betrieb. Jetzt lebte sie nur noch zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern. Die treibende Kraft zur Aussiedlung war angeblich die Mutter gewesen, eine Analphabetin ohne Schulabschluss,  der das patriachalische System nicht gefiel. Tochter Muhterem fühlte sich gleich zu Beginn in der deutschen Schule recht wohl. Die deutschen Schüler zeigten keine Ablehnung, sondern waren neugierig und hilfsbereit. Sie machte schließlich auf einem beruflichen Gymnasium das Abitur, studierte Wirtschaftswissenschaften und war beruflich in der Steuerberatung tätig. Nach der Einbürgerung in Deutschland wollte sie keinen zusätzlichen türkischen Pass mehr. Sie bekennt sich voll zu Deutschland und seinen Werten und betrachtet dieses Land als ihre Heimat. Dieses Bekenntnis wurde vermutlich dadurch begünstigt, dass sie als Kurdin und Alevitin in der Türkei gleich zwei Minderheitengruppen angehört hätte, deren Gleichberechtigung zumindest beeinträchtigt ist.  Frau Aras befürwortet ein Einwanderungsgesetz, in dem sich Deutschland als Einwanderungsland erklärt und wo keine Assimilation gefordert wird, sondern die Zugewanderten sich zu ihrer Herkunft bekennen können. Sie weiß aber, dass Vielfalt auch eine Herausforderung ist.  Die BZ nannte sie am 14. 10. „eine echte Verfassungspatriotin“.

Ist der Verfassungspatriotismus eine erstrebenswerte Alternative zum ethnisch begründeten Staatsverständnis?  –  Sicher nicht. Man denke nur daran, dass die dann notwendige tolerante Haltung insbesondere für viele Muslime – und nicht nur für sie –  untypisch ist.  Der frühere Verfassungsrichter Prof. Ernst Wolf Böckenförde, der im Frühjahr 2019 in Au bei Freiburg gestorben und dort auch begraben ist, meinte, dass eine gut funktionierende Demokratie eine „relative Homogenität“ der Gesellschaft verlange. Er hatte deshalb auch die Mitgliedschaft der Türkei in der EU abgelehnt.