Peter Bulke/ „Letzte Botschaften – Briefe von Vätern aus dem GULAG“, so heißt eine Ausstellung in Lahr im Gemeindezentrum Philipp Melanchthon vom 5. Mai bis zum 1. Juni. Es geht schwerpunktmäßig um Briefe von Vätern aus den sowjetischen Arbeitslagern zur Zeit der Stalindiktatur. Die Bezeichnung GULAG war urspünglich eine Abkürzung für die 1930 in der UdSSR geschaffene Sonderbehörde für die Verwaltung der Arbeitslager, wird aber im Allgemeinen in bezug auf alle Verbrechen des Sowjetsystems an ihren eigenen Bürgern verwendet. Frau Margarita Augustin, Mitarbeiterin am Freiburger Zwetajewa-Zentrum, teilte in einer der Eröffnungsreden am 5. Mai mit, dass von 20 Millionen Toten der sowjetischen Schreckensherrschaft auszugehen sei, wenn man zusätzlich auch die Todesopfer hinzurechne, die unzählige Bauernfamilien infolge von Hunger zu beklagen hatten. Denn im Rahmen der Kollektivierung wurde den Widerspenstigen nicht selten sogar das Saatgetreide weggenommen. Auch etwas anderes ist für uns kaum vorstellbar: Frau Augustin erwähnte, dass sich noch im Jahr 1950 2,8 Millionen Sowjetsoldaten in Arbeitslagern befanden, und zwar vor allem deshalb, weil sie zuvor in deutscher Kriegsgefangenschaft gewesen waren. Anstatt sie bei der Heimkehr staatlicherseits zu begrüßen, wurden sie „bestraft“. Zu der Ausstellung in Lahr gehört auch ein ins Deutsche übersetzter Film, in dem das Schicksal von Familienvätern erzählt und ihre ins Deutsche übersetzten Briefe gezeigt werden, die sie aus den Arbeitslagern nach Hause schreiben durften. Am 17. Mai wird Frau Irina Ostrovskaya vom Memorial-Archiv in Moskau das Buch „Ich glaube an unsere Kinder – Briefe von Vätern aus dem GULAG“ vorgestellt, das auch in deutscher Sprache erschienen ist.
In Lahr sind vor allem in den 90-iger Jahren 9.000 Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion aufgenommen worden. Viele von ihren Eltern und Großeltern waren von der Schreckensherrschaft direkt betroffen. Der Oberbürgermeister der Stadt Lahr hat sich deshalb dafür eingesetzt, dass die Ausstellung dort gezeigt wird. Die Ausstellung war nur wegen der guten Zusammenarbeit des Freiburger Zwetajewa-Zentrums mit der Moskauer Menschenrechtsorganisation Memorial möglich.
Wer war Marina Zwetajewa? Sie ist eine in Russland bekannte Dichterin. Als Kind hat sie ab 1904 für einige Jahre in Horben und Freiburg gewohnt. Ihre Mutter hoffte, hier von der Tuberculose geheilt zu werden. Die Dichterin schwärmte geradezu von Deutschland. („… mein Herz auf dich, mein Deutschland, schwört…“ heißt es in einer Übersetzung.) 1941 nahm sie sich in der Sowjetunion das Leben. In Rieselfeld ist ein Weg nach ihr benannt.