Peter Bulke: Wie steht es um die deutsche Minderheit in der Ukraine?
Vom russischen Angriff sind auch Menschen deutscher Abstammung in der Ukraine betroffen. Die obige Überschrift ist der Titel eines großen Bildes im Untergeschoss des Freiburger Hauptbahnhofs. Es hängt an der linken Seite kurz vor dem Treppenaufgang zum Stadtzentrum. Es wurde 2021 im Zusammenhang mit der 900-jährigen Geschichte der Stadt Freiburg angebracht und zeigt eine aus Freiburg stammende Familie Förderer, die sich wie viele andere Deutsche anfangs des 19. Jahrhunderts nördlich des Schwarzen Meeres angesiedelt hatten. Sehr viele von ihnen kamen aus Baden, dem Elsass und aus Schwaben. Deutsche Bauern und Handwerker waren im russischen Kaiserreich sehr geschätzt. Später entstanden auch Fabriken zur Herstellung landwirtschaftlicher Geräte und Maschinen.
Für das Jahr 1939 wurden für die Ukraine über 390.000 deutsche Bewohner angegeben. Hinzu kamen ca. 40.000 auf der Krim. 50 Jahre später – 1989 – ist die Zahl der Deutschen auf etwa 38.000 gesunken. Der hauptsächliche Grund sind natürlich die Deportationen im Jahr 1941. Östlich des Dnjepr und auf der Krim war die deutsche Bevölkerung fast vollständig betroffen. Sie wurde u.a. nach Kasachstan gebracht. Aus der westlichen Ukraine – unter deutscher Besetzung – gab es eine große Umsiedlung in den Warthegau. Kurze Zeit später hatten die Betroffenen das Schicksal der „Repatriierung“ in die UdSSR zu erdulden.
Wie die Bundesgeschäftsstelle des Bundes der Vertriebenen (BdV) am 18. 05. 22 mitteilte, traf sich am 17. 05. in Berlin der BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius mit dem Vorsitzenden des Rates der Deutschen in der Ukraine (RDU), Volodymyr Leysle. Dieser dankte für eine erfolgte Spendensammlung in Höhe von 47.000 €. Nach einer BdV-Mitteilung vom 30. 05. gab es danach einen Hilfseinsatz des BdV vor allem in Form von Lebensmittelspenden in Transkarpartien (nahe der Grenze zu Rumänien).
Die christliche Wochenzeitschrift IDEA veröffentlichte in Nr. 20/2022 das obige Bild. Es zeigt das jetzt zerstörte deutsche Begegnungszentrum in Mariupol. Im Text heißt es dazu u.a.: Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wird die großteils protestantische deutsche Minderheit aus dem Land vertrieben. Darauf hat der Verband Internationale Medienhilfe (IMH) hingewiesen. Er ist ein Zusammenschluss deutschsprachiger Medien im Ausland. Anlass ist die Zerstörung des regionalen Begegnungszentrums der deutschen Minderheit in der umkämpften Hafenstadt Mariupol. . . . Das Zentrum war vor dem Krieg mit Fördergeldern aus Deutschland renoviert worden. Es bot Kulturveranstaltungen und Sprachkurse an. Zahlreiche Ukrainedeutsche seien seit Kriegsbeginn aus der Küstenregion geflohen, viele von ihnen nach Deutschland. Da die meisten von ihnen vermutlich nicht zurückkehren würden, werde die deutschsprachige Minderheit in der Ukraine durch den Krieg praktisch ausgelöscht. Bei der letzten Volkszählung in der Ukraine hätten sich rund 30.000 Menschen zu ihren deutschen Wurzeln bekannt.