Von WOLFGANG HÜBNER | Eines galt bereits vor 1933 und gilt seit 1945 erst recht: Ein wirklicher deutscher Patriot kann kein Antisemit sein. Wer etwas anderes behauptet, hat entweder nicht begriffen, was Patriotismus ist, nämlich die tiefe Verbundenheit mit dem eigenen Land und die Verpflichtung für dessen Wohlergehen. Oder es ist Dummheit und Verblendung, die den schädlichsten Weg wählt, um die Probleme Deutschlands und der Welt zu „verstehen“. Was auch immer die Motive und Gründe für antisemitische, judenfeindliche Irrwege sein mögen – für eine patriotische Bewegung, für eine patriotische Partei sind sie allesamt weder akzeptabel noch tolerierbar.
Daraus folgt keineswegs die Notwendigkeit eines bedingungslosen Philosemitismus. Dieser war, oft genug verlogen und berechnend, noch verständlich in den ersten Jahrzehnten nach dem im deutschen Namen durchgeführten größten Judenmord der Weltgeschichte. Doch mehr als 70 Jahre nach Ereignissen, die niemals in Vergessenheit geraten werden, muss es auch in Deutschland möglich sein, Menschen jüdischer Herkunft und Identität ebenso zu kritisieren oder auch politisch zu bekämpfen, wenn das aus patriotischer Sicht angebracht ist. Entscheidend dabei ist jedoch, dass das nicht geschieht, weil die kritisierte oder bekämpfte Person Jude ist, sondern weil es dafür sachliche Gründe gibt.
George Soros mag eine üble, zumindest sehr fragwürdige Person sein. Doch das ist er wegen seines Tuns, nicht wegen seiner jüdischen Herkunft. Das gilt auch für alle anderen Reizfiguren von patriotischen Deutschen wie Michel Friedman usw. Und selbstverständlich darf niemand besonders angegriffen oder bekämpft werden, weil es sich um eine Person jüdischer Herkunft handelt. Umgekehrt muss aber auch gelten: Wenn zum Beispiel der Zentralrat der Juden die AfD oder eine patriotisch-nichtextremistische Organisation angreift oder unter diskriminierenden Verdacht setzt, dann gibt es jedes Recht, sich dagegen zur Wehr zu setzen, auch offensiv. Das sollte dann allerdings in einer Weise geschehen, die berücksichtigt, warum es bei Juden aufgrund der geschichtlichen Geschehnisse verständliche, wenngleich in den allermeisten Fällen unberechtigte Ängste gibt.
Umso härter sollten all jene nichtjüdischen Kreise und Organisationen ins Visier genommen werden, die diese Ängste zum Zwecke des politischen Eigenprofits schüren und nutzen. Das sind fast immer auch diejenigen, die das deutsche Verhältnis zum Staat Israel instrumentalisieren. Dieses Verhältnis wird noch lange anders sein als das zu beliebigen anderen Staaten in Europa und auf der Welt. Dafür gibt es Gründe, die hier nicht dargelegt werden müssen. Es ist jedoch unrealistisch und verlogen, dieses besondere Verhältnis zu überhöhen und überzubelasten.
Nicht Deutschland, auch kein hoffentlich wesentlich patriotischer geprägtes Deutschland der Zukunft, kann die Existenz Israels garantieren – das müssen und können die Israelis schon selbst. Wer die Existenz Israels zur deutschen „Staatsräson“ erklärt, verspricht mehr, als im Notfall einlösbar sein wird, schon gar nicht mit der desolaten Bundeswehr unserer Gegenwart. Es ist für Israel völlig ausreichend, sehr gute, vertrauliche politische, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen zu einem Deutschland zu haben, das daran auch größtes Interesse haben sollte.