Minderheit statt Volkskirche

Peter Bulke/    Die hohe Zahl der Austritte aus den beiden großen Kirchen sind durchaus ein Grund zur Sorge. Die Badische Zeitung (BZ) berichtete am 18. März über die Entwicklung in der evangelischen Kirche in der Stadt Freiburg. Die Mitgliederzahl hat sich im Jahr 2022 um 2,75 % verringert. Die katholische Kirche veröffentliche ihre Statistik immer erst im Sommer. Es wäre interessant zu erfahren, wie sich die Mitgliederzahlen in den Freikirchen verändert haben. Doch statt darüber Informationen einzuholen, erwähnte die BZ lediglich „International Christian Fellowship“, um dann näher auf nichtchristliche Religionen in Freiburg einzugehen.

Für die evangelischen Landeskirchen in Deutschland gibt es für das Jahr 2022 folgende Bilanz: Den 165.000 Taufen standen 365.000 Todesfälle gegenüber und den 19.000 Aufnahmen 380.000 Austritte. Das ergibt eine Abnahme um über 500.000 Mitglieder in nur einem Jahr auf insgesamt nur noch 19,15 Mill.) Die Zahlen zeigen, dass der Rückgang nicht nur auf die zahlreichen Austritte, sondern auch auf den deutschen Bevölkerungsniedergang zurückzuführen ist. Der prozentuale Mitgliederverlust betrug in Deutschland 2,9 %, in Baden 2,6 %.

Der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm äußerte kürzlich, früher seien viele Menschen aus Tradition oder Zwang in der Kirche gewesen. Die aktuellen Zahlen seien ehrlicher als früher. Doch diese Beurteilung ist recht einseitig. Das Hineingeborenwerden in die christliche Tradition hat zwar freie Entscheidungen eingeschränkt, führte aber meistens nicht zu dem Gefühl, einem Zwang ausgesetzt zu sein, sondern wurde mehr als etwas Selbstverständliches angesehen und hat zum Zusammengehörigkeitsgefühl beigetragen. Vertreter einer linksliberalen, „offenen“ Gesellschaft neigen dazu, Religion nur noch als reine Privatsache und alle Religionen als gleichwertig zu betrachten, so als wenn es nur um unterschiedliche Meinungen gehe. In Norddeutschland gibt es zunehmend Überlegungen, den Religionsunterricht durch einen Ethik-Unterricht zu ersetzen.

Begründet werden muss ein Kirchenaustritt nicht. Dementsprechend gibt es keine Statistik über Austrittsgründe. Man kann aber davon ausgehen, dass Gleichgültigkeit der Hauptgrund ist, zumal auch der kleine Kirchensteuerbeitrag eingespart wird. Es gibt aber auch christlich geprägte Mitglieder, die mit etlichen Tendenzen der „Modernisierung“ nicht einverstanden sind. Dazu gehört die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare, die zwar nicht von allen Landeskirchen, aber z.B. von der badischen Synode beschlossen wurde. Kritisiert werden auch Formen des interreligiösen Dialogs mit dem Islam, wobei manchmal der Eindruck entsteht, dass Glaubensunterschiede verwischt werden. Auch einzelne kirchliche Stimmen zugunsten sich festklebender Klima-Aktivisten haben vielen Kirchenmitgliedern nicht gefallen. Schließlich sei auf die kirchlicherseits unterstützte Seenotrettung im Mittelmeergebiet hingewiesen, wenn auch der Spruch Man lässt keinen Menschen ertrinken grundsätzlich gelten muss. – Obiges Foto zeigt die ev. Kirche in Bad Krozingen.            p.bulke@web.de