Unser Verhältnis zu Russland

Peter Bulke/    Im Jahre 2017 wurde unter Vorsitz der Slawistin Prof. Elisabeth Cheaure´ das Zwetajewa-Zentrum für russische Kultur der Universität Freiburg gegründet. Der Name erinnert an eine russische Dichterin, die zeitweise in Freiburg lebte. Das Zentrum tritt immer wieder mal mit Vorträgen oder Ausstellungen an die Öffentlichkeit. In diesem Jahr 2023 gab es eine besonders große Veranstaltungsreihe (Filme, Vorträge).

Den Abschluss bildete ein Vortrag der Professorin Cheaure` zum Thema „Russland und Europa“. Deren Verhältnis zueinander hatte im Verlauf der Geschichte einen sehr wechselvollen Verlauf. Behandelt wurde auch die Gegenwart. In Putins Reden zum derzeitigen Krieg stünde nicht die Ukraine im Vordergrund, sondern die angeblich russlandfeindliche Politik des Westens. In diesem Zusammenhang fehle auch nicht die Rückbesinnung auf die Siege über Napoleon und im „Großen Vaterländischen Krieg“ (2. Weltkrieg). Hervorgehoben würden auch die etwa 1.000-jährige Tradition der russischen orthodoxen Kirche und die Besonderheit einer eigenen Zivilisation Russlands, die der Westen zerstören wolle.

Während Russland den hohen Wert der Familie hervorhebe, werde aus russischer Sicht im Westen die traditionelle Familie durch die Genderpropaganda zunehmend zerstört. Dem Patriotismus stehe im Westen eine Art überzogener Individualismus gegenüber. Deshalb herrsche im Westen egoistisch-materialistisches Denken vor. Der Westen erlebe einen Zerfall traditioneller Moral. Natürlich wird Europa auch als Vasall der USA betrachtet. Prof. Cheaure` hob dabei den Wert einer freiheitlichen Gesellschaft des Westens hervor. Bei uns darf offen über die von der russischen Führung kritisierte Genderideologie diskutiert werden. Sie erwähnte allerdings nicht die Gefahren, die von der überwiegend einseitigen Werbung in den großen Medien, sogar in Kindersendungen, zugunsten dieser Ideologie ausgehen. Aber das war nicht Thema des vor allem historischen Vortrags, auf den jetzt nicht weiter eingegangen werden soll.

Die gegenseitigen Verbrechen im 20. Jahrhundert sollten nicht den Blick auf die vielen engen Beziehungen zwischen Deutschen und Russen beeinträchtigen. Die rund 3 Mill. Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjet-Union bilden ein wertvolles Bindeglied zwischen beiden Nationen. Ein großer Teil dieser Aussiedler hat weiterhin persönliche Verbindungen nach Russland (zu Verwandten, Freunden). Im Verlauf des 19. Jahrhunderts hatten Deutsche im russischen Kaiserreich mehrmals sogar Ministerposten. Zahlreiche deutsche Prinzessinnen haben in den Zarenhof hineingeheiratet.  Die wichtigste von ihnen, die Kaiserin Katharina II., warb nach 1760 viele deutsche Siedler an, auch aus Baden, dem Elsass und aus Württemberg. Seit 2010 ist sie in Zerbst, ihrem Geburtsort im heutigen Sachsen-Anhalt, als junge deutsche Prinzessin in Form eines fast 5 m hohen Denkmals zu sehen, ein Geschenk eines russischen Bildhauers  („Volk auf dem Weg“, Juli 2023).  – Obiges Bild zeigt das Hotel  am Marktplatz in Badenweiler. Hier hat der russische Dichter Tschechow zeitweise gewohnt und vergeblich auf Heilung von der Tuberkulose gehofft. Er starb 1904. Die kleine Möwe erinnert an ein von ihm geschriebenes Theaterstück.  – p.bulke@web.de