Peter Bulke/ Am 01. 09. nahm der im Freiburger Raum sehr bekannte Historiker Prof. Wette aus Waldkirch in einer überfüllten öffentlichen Veranstaltung zum Angriffskrieg gegen die Ukraine Stellung. Auch hier zeigte sich, dass die Beurteilung dieser Vorgänge politische Neigungen nach links oder rechts vollständig überlagert.
Wolfram Wette arbeitete von 1971 bis 1995 beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt, das damals in Freiburg bestand. Seit 1998 lehrte er neueste Geschichte an der Universität Freiburg. Obiges Foto zeigt das Friedensdenkmal am Rotteckring mit den Kränzen der Stadt Freiburg und dem Freiburger Friedensforum zum Gedenktag am 1. September.
Eine wichtige Aussage Wettes war, Opfer eines Krieges sei die Wahrheit. Das gelte ebenso für dessen Vorgeschichte. Nötig sei aber gegenseitiges Verstehen. Zur Zeit stünden sich die Kriegsgegner in einem Abnutzungskrieg (Stellungskrieg) gegenüber, vergleichbar mit dem Zustand an der Westfront im 1. Weltkrieg 1916. Der deutsche Angriff auf Verdun hatte extrem viele Tote (auf beiden Seiten) zur Folge, aber keinen wirklichen militärischen Nutzen. Im Ukrainekrieg seien wahrscheinlich schon mehrere 100.000 Tote zu beklagen. Der gegenseitige Hass werde gesteigert. Das werde entsprechende Auswirkungen für die Zukunft haben. Im Jahre 2001 habe sich Putin im deutschen Bundestag für ein gemeinsames Haus Europa ausgesprochen und habe dafür großen Beifall bekommen. Im Westen gab es aber keine entsprechenden Konsequenzen. Wer mehr Verständnis für die russische Seite forderte, sei gleich als „Russland-Versteher“ ausgegrenzt worden. Egon Bahr wies 2013 darauf hin, dass es immer um Interessen von Staaten gehe. Man muss beide Seiten verstehen. Doch der US-Regierung bei ihrem Bestreben, liberal-demokratische Regierungen zu errichten, ging es vorrangig um die eigene Vormachtstellung. Als auf einer UN-Vollversammlung 141 von 193 Staaten der Verurteilung Russlands zustimmten, hoffte der Westen auf eine Isolierung Russlands. Doch Russland ist heute weniger isoliert als erwartet. Der globale Süden betont stärker die eigenen Interessen.
Zu den Ursachen des jetzigen Zustandes gehören auch innerukrainische Gegensätze. Diese Spaltung begünstigte die Einflussnahme des Westens und – im östlichen Teil des Landes – Russlands. Heute wissen wir nicht, ob eine neutrale Ukraine den Krieg verhindert hätte. Putin ist zwar Aggressor; aber die Politik des Westens habe den Kriegsausbruch begünstigt.
Die USA sehen sich als Sieger im Kalten Krieg. Ein Zusammengehen Deutschlands mit Russland würde als Bedrohung dieser Siegerposition gesehen. Das US-Ziel war ein geschwächtes Russland. 2014 äußerte Obama, Russland sei nur eine Regionalmacht. Das musste als Demütigung empfunden werden. 2022 gab es noch die Diskussion um einen Rückzug der NATO, und Russland sollte sich auf das Gebiet von Anfang 2022 zurückziehen. Doch Präsident Biden lehnte es ab, darüber überhaupt mit Putin zu sprechen. Auch die deutsche Regierung ist bisher nicht mit einem ernst zu nehmenden Friedensvorschlag aufgetreten. Aber ohne ein Minimum an gegenseitigem Vertrauen hat der Frieden keine Chance. Die Gefahr für die Zukunft ist ein neuer kalter Krieg zwischen Ost und West, verbunden mit einer echten Kriegsgefahr. Sicherheit kann nur mit einem echten Miteinander erreicht werden. p.bulke@web.de