Peter Bulke/ „Am Ende siegt das Recht …“, so lautete am 20.11. die Überschrift eines ganzseitigen Artikels der Badischen Zeitung. Tags darauf wurde kurz berichtet, dass es zum 75. Jahrestag des Kriegsverbrecherprozesses einen Festakt mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier gegeben hat. Er meinte, dass es ohne den Prozess heute keinen Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gäbe. Nur Lob hat der damalige Prozess aber doch nicht verdient. Es war schon problematisch, dass die Siegermächte sowohl die Ankläger als auch die Richter stellten. Verbrechen der Siegermächte wurden natürlich nicht behandelt. Selbst die Erschießung Tausender polnischer Offiziere durch Sowjets in Katyn wurden den Deutschen angelastet. Diese rechtlich problematische Seite des Prozesses hatte Vorgeschichte im Versailler Diktat. Dort war auch die Alleinschuld Deutschlands am Weltkrieg festgelegt worden. Anklage und Verurteilung Kaiser Wilhelms II. war damals nur daran gescheitert, dass die neutrale Niederlande ihn nicht ausgeliefert hatte.
Die damalige Osnabrücker Rundschau schrieb am 30. 07. 1946 (etwa zum Ende des Prozesses): „Oberrichter Jackson bezeichnete das Verbrechen der Vorbereitung und Führung von Angriffskriegen als den Schwerpunkt … Auf der Zusammenkunft am 5. November 1937 habe Hitler seine Kriegspläne ganz klar und zynisch entwickelt. … Das Verbrechen erläuterte Jackson mit Beispielen aus der Aufrüstung. Die Luftwaffe sei neu geschaffen worden. … 1933 gab es keine Luftwaffe, sagte er.“ Auf den 5. 11. 1937 bezieht sich das viel diskutierte und umstrittene „Hoßbachprotokoll“. Ausgerechnet das galt als „Schlüsseldokument“. Es war kein echtes Protokoll, sondern wurde einige Tage später vom Wehrmachtsadjutanten Hitlers, Friedrich Hoßbach, aus dem Gedächtnis erstellt. Hoßbach – gestorben 1980 – hat später darauf hingewiesen, dass auf jener Besprechung keine Kriegspläne aufgestellt worden seien. Aber es wurden die Möglichkeit eines Krieges und die notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen für den Ernstfall angesprochen. Hitler war besonders auf die Themen Österreich, Sudetenland und Böhmen/Mähren eingegangen.
Heute, 74 Jahre nach dem Ende des Prozesses, werden etliche Vorgänge vor Kriegsbeginn immer noch sehr unterschiedlich interpretiert. Der Titel des 2003 erschienenen Buches (über 500 Seiten) von Gerd Schultze-Rohnhoff (zuletzt Generalmajor der Bundeswehr) „Der Krieg, der viele Väter hatte“ dürfte eine zutreffende Aussage sein.
Im Kapitel „Das Verbrechen der Verfolgung und Ausrottung“ des Nürnberger Prozesses wurde der Massenmord an Juden behandelt. Hier ist die Faktenlage – wenigstens im Grundsätzlichen – eindeutig und unentschultbar.