Vor einigen Jahren fand in Freiburg ein Vortrag statt, der sich um den liberalen Islam drehte. Im Vordergrund standen Befürworter eines liberalen Islam. Ein sehr wichtiger Vertreter dieser Richtung ist der Islamwissenschaftler Prof. Ourghi an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Er hatte sogar die Idee, auch in Freiburg (nach Berlin) eine liberale Moschee mitzugründen. Aber das ließ sich nicht verwirklichen. Mitbegründerin der liberalen Moschee in Berlin ist auch die Berliner Anwältin Seyran Ates. Sie stammt aus der Türkei und ist durch Zeitungsbeiträge und Bücher bekannt geworden. Doch sie wurde Zielscheibe einflussreicher muslimischer Verbände. Wegen zahlreicher Drohungen schloss sie 2006 sogar ihre Kanzlei. Sie steht rund um die Uhr unter Personenschutz. Kürzlich trat sie an der Universität Freiburg auf. Sie tritt für Religionsfreiheit ein und für eine „geschlechtergerechte“ Auslegung des Islam. Ihr Vorbild ist die deutsche Frauenbewegung seit Beginn des 20. Jahrhunderts, über die sie viel gelesen hat. Sie wendet sich nicht nur gegen eine patriachalische Gesellschaft; sie lehnt es auch ab, dass Kinder aufgrund familiärer und gesellschaftlicher Tradition gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen. Die Integrationspolitik der Bundesregierung hält sie für überwiegend gescheitert. Sie kritisiert, dass zur Islamkonferenz nur Vertreter der bekannten Islamverbände eingeladen werden.
Das Problem für Frau Ates ist: Die Mitgliederzahlen der Islamverbände sind zwar relativ niedrig, aber gibt es überhaupt einen liberalen Islamverband nennenswerter Größe? Die bekannten Verbände sind die einzigen infrage kommenden Ansprechpartner der Bundesregierung. Der größte Verband ist die „Türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion“ mit etwa 150.000 Mitgliedern. Nach Angaben von Prof. Ourghi wollten ihn Frauen aus dem Iran und aus Afghanistan beim Projekt einer liberalen Freiburger Moschee unterstützen, aber sie haben angeblich Angst, sich der Öffentlichkeit zu zeigen. Zur Kritik an der Kopftuchtradition ist anzumerken, dass es für die meisten Muslime offensichtlich ein wichtiges Symbol ihrer Identität ist, auch wenn sie nicht sehr religiös sind. Der Wunsch, dass Kindern selbst die Entscheidung über das Tragen des Kopftuches überlassen werden sollte, erscheint weitgehend wirklichkeitsfremd. Es ist nun einmal vollkommen normal, dass Eltern bestrebt sind, ihre kulturellen und religiösen Überzeugungen an die Nachkommen weiterzugeben.